Norbert Dyhringer: Eine Forderung, die nicht erst seit Corona immer wieder aufkommt, ist die nach besseren Arbeitsbedingungen und Löhnen in der Pflege. Was habt ihr dazu getan?

Michael Gerdes: Aktuell haben wir kurz vor Ende der Sitzungszeit mit der Pflegereform noch einen wichtigen Schritt für mehr Tarifbindung erreichen können. Ab September 2022 müssen alle Pflegeeinrichtungen Löhne nach Tarifverträgen oder kirchlichem Arbeitsrecht zahlen. Und das ist gut so. Pflegekräfte sind medizinische Fachkräfte. Sie sind diejenigen, die oft am nahesten an den Menschen arbeiten und das unter nicht einfachen Bedingungen, das wissen wir alle.

Dyhringer: War das Vorhaben nicht viel früher geplant?

Gerdes: Ja, es war Teil des Pflege-Tariftreue-Gesetzes, das Anfang des Jahres leider gescheitert ist. Hubertus Heil und Olaf Scholz haben deshalb bei der Union noch einmal Druck gemacht und unsere Forderungen nach tariflicher Bezahlung mit der Pflegereform durchgesetzt. Von den 1,2 Millionen Beschäftigten in der Pflege bekommen derzeit nur etwa die Hälfte Tariflohn. Das wird sich ändern. Bei Vollzeitkräften können das monatlich mehr als 300 Euro sein.

Dyhringer: Warum war das Pflege-Tariftreue-Gesetz gescheitert?

Gerdes: Die Caritas hatte sich als Arbeitgeber dagegen gewandt. Darüber waren wir als SPD mächtig enttäuscht, denn wir brauchen die verbindlichen Tarif- und Gehaltsstrukturen auch, um den Beruf aufzuwerten. Es geht hier nicht nur um bessere Bezahlung und Anerkennung, sondern ebenso um mehr Nachwuchs und mehr junge Leute, die sich für die Pflege als Beruf interessieren. Deshalb haben wir einen jährlichen Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro zur Finanzierung der Pflegeversicherung verankert. Natürlich ist das noch zu wenig. Abermehrwarmit der Union nicht zumachen. Nach der Bundestagswahl wollen wir deshalb die solidarische Finanzierung der Pflege durch Einführung einer Bürgerversicherung angehen.

Dyhringer: Was habt ihr im Pflegebereich noch erreicht?

Gerdes: Ich persönlich habe mich besonders über das Teilhabechancengesetz gefreut, das viele Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen enthält. So gibt es zumBeispiel Gewaltschutzregelungen insbesondere für Frauen, ein Budget für Ausbildung, mit dem junge Menschen Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt erhalten und neue Regelungen für Assistenzhunde. Es gibt Menschen mit Behinderungen, für die Assistenzhunde fast die einzige Möglichkeit sind, ein selbstbestimmteres Leben zu führen. Die Hunde können Wäsche in die Waschmaschine legen, Gartentüren öffnen oder beim Einkaufen helfen. Bislang durfte man mit Assistenzhunden im Gegensatz zu Blindenhunden keine Behörden, Arztpraxen oder andere Einrichtungen betreten. Das ist jetzt erlaubt. Darüber hinaus gibt es mehr Verbindlichkeiten bei der Ausbildung der Hunde. Aber auch bei den Assistenzhunden gilt: hier ist noch Luft nach oben. Mit Olaf Scholz als Kanzler können wir für alle Beteiligten deutlich mehr erreichen.

(Beitrag von Norbert Dyhringer aus der Zeitung des SPD-Ortsvereins Zweckel – Zweckel vor Ort – Sommer 2021)